In allen Versicherungspolicen finden sich Obliegenheitspflichten für Kunden mit dem Ziel, dass sowohl der Versicherungsnehmer als auch die Versicherungsgesellschaft fair behandelt werden. Sie dienen dazu, das Risiko für die beiden Parteien zu minimieren und einen reibungslosen Ablauf des Versicherungsprozesses besonders im Schadenfall zu gewährleisten.
Was sind Obliegenheiten?
Ganz allgemein formuliert sind Obliegenheiten Verhaltensnormen, aus denen sich ergibt, was der Versicherungsnehmer zu tun oder zu lassen hat, um den Versicherungsschutz zu erhalten. Obliegenheiten stellen somit auf das Verhalten des Versicherungsnehmers ab und sind je nach Versicherungsart sowie Situation spezifisch. Unter Situation ist beispielsweise zu verstehen, was ein Versicherungsnehmer bei Änderung seiner persönlichen Situation oder im Schadensfall tun muss.
Beispiele für Obliegenheiten sind für die Hausratversicherung die Anzeige des Umzuges in einen neuen Bezirk oder einen anderen Ort oder der Verlust des Wohnungsschlüssels. In der Berufsunfähigkeitsversicherung kann eine Obliegenheit die Anzeige des Berufswechsels sein und in der Wohngebäudeversicherung Handlungen aufgrund längerer Abwesenheit oder Bauarbeiten am Gebäude. Zu den wichtigsten Pflichten des Versicherungsnehmers im Schadenfall gehören die Schadenabwendungs- und -minderungspflicht laut §62 VVG, die unmittelbare Anzeigepflicht laut § 33 VVG sowie die rechtzeitige Informationspflicht. Weitere Pflichten sind in den Allgemeinen und Tarifbedingungen geregelt.
Obliegenheiten bei Verträgen der Oberösterreichischen
Diese Blogbeitrag kann natürlich nicht auf alle allgemeinen und besonderen Obliegenheiten in den Bedingungen der Produktlösungen der Oberösterreichischen für Kunden in Deutschland eingehen. Wir verdeutlichen es am Beispiel der Photovoltaikversicherung Klima pro und den Tarifbedingungen AEED2023, welche hier nachzulesen sind.
Unter Abschnitt A §14 1.1. gilt als vereinbart, dass der Versicherungsnehmer dafür zu sorgen hat bzw. sorgen lässt, dass die versicherten Sachen sich in technisch einwandfreiem, betriebsfähigem Zustand befinden, sorgfältig gewartet und instandgehalten werden, nicht dauernd oder absichtlich über das technisch zulässige Maß belastet werden und der Betrieb entsprechend der Herstelleranweisung erfolgt (z.B.: Betriebstemperatur, Raumklima u. dgl.). Im Grunde sind es ganz „normale“ Fürsorgepflichten, die jeder Betreiber einer PV-Anlagen selbst im Blick haben sollte.
Weiter heißt es unter §14 2. Abschnitt A, dass Leistungsfreiheit dann eintritt, wenn die Verletzung der jeweiligen Obliegenheit auf Verschulden beruht und die Verletzung einen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder einen Einfluss auf den Umfang der Versicherungsleistung gehabt hat. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für die fehlenden Voraussetzungen der Leistungsfreiheit.
Im Abschnitt B § 8 Pkt. 1 a) werden diese Obliegenheiten nochmal aufgegriffen und für den Fall des Eintritts des Versicherungsfalles unter B § 8 Pkt. 2 nochmal spezifiziert. Hier werden auszugsweise folgende Obliegenheiten aufgeführt:
aa) nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen;
bb) dem Versicherer den Schadeneintritt, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich – ggf. auch mündlich oder telefonisch - anzuzeigen;
cc) Weisungen des Versicherers zur Schadenabwendung/-minderung - ggf. auch mündlich oder telefonisch - einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten;
dd) Weisungen des Versicherers zur Schadenabwendung/-minderung, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen. Erteilen mehrere an dem Versicherungsvertrag beteiligte Versicherer unter- schiedliche Weisungen, hat der Versicherungsnehmer nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln
Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen
Vorab sei angemerkt, dass die Ablehnung von Leistungsfällen bei der Oberösterreichische ein sehr seltener Vorgang ist. Die Mehrzahl der Kunden mit einem Schadenfall bei Hausrat- oder in der Photovoltaikversicherung kommuniziert schnell und konstruktiv, damit ist schon ein wesentliches Moment für eine zügige Schadenregulierung gegeben. Gehen wir dennoch auf den seltenen Fall der Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen ein.
In den AEED2023 Abschnitt B § 8 3. wird zur Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen folgendes in drei Unterpunkten geregelt, aus denen wir hier nur Punkt a) zitieren:
„Verletzt der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit nach Nr. 1 oder Nr. 2 vorsätzlich, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei. Bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht.“
Die Betonung liegt in diesem Passus auf „vorsätzlich“ und „fahrlässig“ und ist so oder ähnlich auch in vielen Versicherungsbedingungen aller Versicherer zu finden. Deshalb ist es wichtig sich in den Versicherungsbedingungen der Tarife auch die Regelungen zum Thema „grobe Fahrlässigkeit“ als Makler genau anzuschauen. Unter AEED2023 Abschnitt A 2. wird hierzu auszugsweise klargestellt:
„Abweichend von Abschnitt A § 2 Pkt. 4 a) AEED verzichtet der Versicherer bei Schäden durch die unmittelbare oder mittelbare Wirkung von grobfahrlässigen Handlungen des Versicherungsnehmers auf den Einwand der Leistungsfreiheit, sofern es sich um eine Beschädigung, Zerstörung oder den Verlust von versicherten Sachen durch unvorhergesehen und plötzlich eintretende Ereignisse gemäß Abschnitt A § 2 Pkt. 1 AEED handelt.
Die Versicherungssumme für den Verzicht auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit beträgt für die versicherten und im Versicherungsschein angeführten Photovoltaik- und Solarthermieanlagen 100% der dafür vereinbarten Versicherungssummen.“
Wegfall des Alles-oder-Nichts-Prinzips
Nach dem neuen VVG, das seit dem 1.1.2008 für Neuverträge und ab dem 1.1.2009 auch für Bestandsverträge gilt, ändern sich die Rechtfolgen bei Obliegenheitsverletzungen durch den Versicherungsnehmer. So ist der Versicherer durch den Wegfall des Alles-oder-Nichts-Prinzips auch bei grober Fahrlässigkeit leistungspflichtig, kann die Leistung jedoch je nach Verschuldensgrad kürzen.
Unter dem Alles-oder-Nichts-Prinzip versteht man, dass der Versicherungsnehmer entweder volle Leistung bei allenfalls leicht fahrlässiger Verletzung von Pflichten oder leicht fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls erhält oder keine Leistung, wenn ihm grobe Fahrlässigkeit nachzusagen ist. Das Prinzip wurde bis auf wenige Ausnahmen mit der VVG-Reform abgeschafft, stattdessen kann die Leistung in einem der Schwere der Schuld angemessenen Verhältnis gekürzt werden, beschreibt dvb Fachportal für die Versicherungsbranche das Prinzip.
Fazit
Es ist Maklerinnen und Maklern grundsätzlich zu empfehlen, auf die wesentlichen Obliegenheiten in Versicherungspolicen im Rahmen der Beratung einzugehen und diese zu dokumentieren. Obliegenheiten ermöglichen es Versicherungsgesellschaften angemessene Prämien festzulegen, Kunden zur Mitarbeit zu gewinnen und im Schadenfall eine schnelle und faire Regulierung zu gewährleisten.
Für die Auswahl von Produktempfehlungen durch Makler können die Regelungen zum Umgang mit dem Spezialthema grobe Fahrlässigkeit beziehungsweise wie hier beschrieben der Verzicht auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit in den Versicherungsbedingungen der Oberösterreichischen bei der Photovoltaikversicherung KlimaPro ein wichtiges Kriterium sein.